Beiträge

Interview Klimanationalismus in Welt am Sonntag vom 6. Juli 2025

Es muss Schluss sein mit dem Klimanationalismus

Energieexperte und Regierungsberater Franz Josef Radermacher rechnet mit der deutschen Energiepolitik ab. Deutschland sei ein „Klimagefängnis“, das riesige Summen verschwende und effektive Lösungen außer Acht lasse – weil Einzelne profitierten

Franz Josef Radermacher kritisiert in dem Interview die deutsche Klimapolitik als ineffizient, überreguliert und teuer. Er bezeichnet Deutschland als „Klimagefängnis“, in dem Milliarden für nationale Maßnahmen ausgegeben werden, die kaum globalen Nutzen bringen. Stattdessen plädiert er für eine internationale Klimapolitik: In Entwicklungs- und Schwellenländern könnten CO₂-Emissionen viel günstiger reduziert werden – durch Aufforstung, CCS (CO₂-Abscheidung und -Speicherung) und CCU (CO₂-Nutzung). Diese globalen Lösungen seien effektiver und würden zugleich den Wohlstand in ärmeren Regionen fördern. Radermacher sieht die deutsche „All-Electric“-Strategie mit Fokus auf Wind und Sonne kritisch, da sie teuer und unvollständig sei. Er warnt vor Degrowth und fordert die Rücknahme des Energieeffizienzgesetzes. Das Bundesverfassungsgerichtsurteil von 2021 nennt er eine Fehlentscheidung, da es Deutschland überfordere und global ineffektiv sei. Sein Appell: Kooperation statt Klimanationalismus – für realistischen und wirksamen Klimaschutz.

Aufgrund vieler Rückfragen hat Prof. Radermacher zusätzlich Fragen beantwortet, die im Zusammenhang mit dem Interview gestellt wurden.

Das ursprüngliche Interview in der Welt am Sonntag vom 06. Juli 2025 und die zusätzlich beantworteten Fragen finden Sie nachfolgend unter den angegebenen Verlinkungen:

DAS „KLIMAGEFÄNGNIS“

(FAW/n Report)

Wie aktuelle Narrative und Regulierungen den Weg zu
wirkungsvollem und ökonomisch sinnvollem Klimaschutz verbauen

Die Situation Deutschlands ist in Bezug auf den Klimaschutz in zweifacher Hinsicht tragisch: Zum einen wird mit dem bisherigen Vorgehen für den Schutz des Klimas als weltweite Herausforderung im Wesentlichen nichts erreicht. Die weltweiten Emissionen steigen weiter an. Zum anderen erzeugt dieser Weg extrem hohe vermeidbare Kosten, unter denen unser Land und vor allem auch große Teile der Wirtschaft leiden. Die ökonomischen und sozialen Kollateralschäden des eingeschlagenen Weges sind deutlich sichtbar. Dabei gibt es neben vielen Verlierern dieses Weges auch Profiteure, die dazu beigetragen haben, dass die Dinge aktuell so geregelt sind wie sie sind, und versuchen, Veränderungen des Status Quo weitestgehend zu verhindern. Weil eine gesamtwirtschaftliche Bewertung des Bisherigen so klar negativ ausfällt, versucht die neue Regierung neue Wege einzuschlagen, muss sich aber im engen Rahmen der Freiräume erfolgter Vorabsprachen bewegen. Man kann ihr nur Erfolg auf diesem Weg wünschen, denn wir brauchen ihn dringend. Allerdings ist dies leichter gesagt als getan, denn Deutschland ist in einem regulatorischen „Klimagefängnis“ gefangen. Ein technologieoffeneres und internationales Vorgehen, das die Kosten der Transformation massiv absenken und dem Klimaschutz sehr viel mehr dienen würde, wird durch die aktuelle, in den letzten Jahren entstandene Regulierung, die tief gestaffelt auf verschiedenen Ebenen wirkt, extrem erschwert. Den Menschen, der Wirtschaft und dem Klima ist zu wünschen, dass mit der neuen Regierung eine Befreiung aus diesem „Gefängnis“ gegen alle bestehenden Widerstände gelingt.

Zeitfragen des Jahrhunderts

Wie bringt man eine weltweite Chance auf Gesundheit und die Abwesenheit von Armut und Hunger mit einem gesunden Planeten in Einklang? Um dafür eine gemeinsame Linie zu finden, haben sich 2015 alle UN-Mitgliedstaaten auf die Agenda 2030 mit 17 „Sustainable Development Goals“ (SDGs) geeinigt. Die Umsetzung dieser Ziele wird jede Woche in DIE ZEIT in der Rubrik „Zeitfragen des Jahrhunderts“ diskutiert.

In der zwölften Folge setzten sich Bundesentwicklungsminister Gerd Müller, Nina Ruge (Journalistin, Moderatorin und Botschafterin der Allianz für Entwicklung und Klima), Estelle Herlyn (wiss. Leiterin des Kompetenzzentrums für nachhaltige Entwicklung FOM Düsseldorf, leitende Wissenschaftlerin des FAWN) und Christian Schneider (Geschäftsführer von UNICEF Deutschland) mit dem SDG 13 „Maßnahmen zum Klimaschutz“ auseinander.

Kernpunkte sind das Thema Entwicklung, das laut Prof. Herlyn oft zu kurz kommt, und der Umwelt- und Klimaschutz. Diese beiden Themen sollten Hand in Hand gehen, was sie aktuell nicht tun würden, sondern von Zielkonflikten geprägt seien. Aber auch der Bevölkerungswachstum spiele eine wichtige Rolle, der nicht unterschätzt werden dürfe. „Klimaschutz ist die Überlebensfrage der Zukunft“, ist sich Dr. Gerd Müller sicher.

Sollten wir die Klimaziele nicht erreichen, wird das bis zu 500 Millionen Menschen in großem Maße treffen. Vor allem Kinder leiden besonders unter den Konsequenzen des Klimawandel, stellt Christian Schneider klar. Was heißt das für uns konkret? Laut den Experten und Expertinnen der Diskussionsrunde muss jeder bei sich selbst anfangen. Nina Ruge wirbt in diesem Kontext für die Mitgliedschaft in der Allianz für Entwicklung und Klima.

Das FAWn positioniert sich ganz klar hinter der Botschafterin Nina Ruge und der leitenden Wissenschaftlerin Prof. Herlyn. Am FAW/n untersuchen wir, wie es gelingen kann, dass Industrieländer gemeinsam mit Entwicklungs- und Schwellenländern auf den Klimakonferenzen an einem Strang in Richtung Klimaneutralität ziehen, was dabei die aussichtsreichsten und effizientesten Lösungen sind, und welche Rolle dem Privatsektor zufällt.

Die gesamte Diskussion sowie weitere Folgen zu anderen SDGs finden Sie hier.

Weitere Informationen zur Folge 12 der Zeitfragen des Jahrhunderts auf der Webseite von ZEIT ONLINE

Bildquelle: Phil Dera

Kommentar zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Bundes-Klimaschutzgesetz

Die aktuelle Debatte rund um die Klimafrage hat nun auch das Bundesverfassungsgericht erreicht. Im Fokus des Urteils, das am 29.4. gefällt wurde, stehen dabei intertemporale Gerechtigkeitsfragen: Inwieweit können aus dem bisherigen Vorgehen beim Klimaschutz zukünftig Freiheits- und Rechtebeschränkungen für die junge Generation resultieren, weil die ältere Generation heute nicht bereit ist, in ausreichendem Maße Beiträge zum Klimaschutz zu erbringen?

Das Bundesverfassungsgericht hat das Klimaschutzgesetz der Bundesregierung als teilweise verfassungswidrig erklärt, weil unter anderem Zwischenziele für die Zeit nach 2030 fehlen. Die bis 2030 festgelegten Klimaschutzziele seien dagegen nicht zu beanstanden. Bis Ende 2022 soll das Gesetz nun nachgebessert werden.

Prof. Dr. Dr. Dr. h.c. Radermacher nimmt in einem Kommentar zum Urteil kritisch Stellung: Laut ihm ist die Position des Gerichts aus logischen und naturwissenschaftlichen Gründen nicht überzeugend, da wichtige Aspekte der Klimadebatte ausgeklammert werden. Dazu gehört, dass die Erreichung der Durchschnittstemperatur auf 1,5°C nicht allein in der Macht der deutschen Politik steht, sondern ein globales Ziel ist, für das man sich auch global einsetzen muss. Außerdem ist fraglich, ob die bisherigen deutschen Klimaschutzmaßnahmen überhaupt richtig sind. Der Professor nennt beispielhaft wie in China und Nigeria mit den CO2- Emissionen umgegangen wird und begründet darin, dass ein alleiniger Ansatz beim nationalen Budget nicht zielführend sein kann.

Das Urteil sei in den Medien zu einem „epochalen Ereignis hochstilisiert“ worden, das es allerdings nicht ist. Die Forderungen der Richter an die Politik sind tatsächlich eher überschaubar. Was jedoch dieses Urteils laut dem Professor für Folgen hat, was für Herausforderungen es auch abgesehen vom Klima für die Zukunft gibt und was für Klimamaßnahmen zielführend sind bzw. wären, können Sie hier nachlesen.

Bildquelle: Udo Pohlmann (Pixabay)

European Union flag waving on the wind

Finnischer Ratsvorsitz kompensiert Flugemissionen

Finnischer Ratsvorsitz kompensiert Flugemissionen

Finnland kompensiert während seines Vorsitzes im Rat der Europäischen Union die Flugemissionen von Teilnehmenden und Delegationen durch die Finanzierung von Projekten zur Reduktion von Treinbhausgasemissionen und zur Förderung der Nachhaltigkeitsziele. Die Kompensation ist eine konkrete Klimaschutzmaßnahme und Bestandteil des nachhaltigen Veranstaltungswesens des finnischen Vorsitzes. Dies rührt aus der Notwendigkeit, dem Klimawandel entgegenzuwirken.

Lesen Sie den vollständigen Artikel der Pressemitteilung.

Bildquelle: Fotolia / Lulla