Ökosoziale Marktwirtschaft: Ein Neubeginn?

Immer wieder fällt in den letzten Tagen der Begriff „Ökosoziale Marktwirtschaft“. Die Rheinische Post hat die Vorstellungen, was Politiker darunter verstehen, unter die Lupe genommen und auch Prof. Radermacher dazu befragt.

Die 22 Arbeitsgruppen der Ampel-Verhandler haben kürzlich ihre Ergebnisse zu verschiedenen Fachthemen präsentiert, während offene Streitpunkte in Spitzenrunden geklärt werden sollen. Ein zentraler Begriff in den Verhandlungen ist die „ökosoziale Marktwirtschaft“, die ökologische Ambitionen mit sozialer Verantwortung verbinden soll. Diese Idee impliziert, dass der Staat neue Aufgaben übernehmen muss, um den technologischen Umbau zu finanzieren und Investitionen zu fördern. Kritiker argumentieren, dass dies eher zu mehr staatlicher Kontrolle führt, was dem ursprünglichen Sozialstaatsgedanken widerspricht, der die Menschen befähigen und nicht bevormunden wollte.

Der Begriff „ökosoziale Marktwirtschaft“ ist nicht neu; bereits in den 1970er Jahren wurde darüber nachgedacht, Umweltschutz in die Marktwirtschaft zu integrieren. Vertreter dieser Idee fordern, dass Umweltverschmutzung einen Preis hat und dass die Ausbeutung natürlicher Ressourcen begrenzt werden muss. Franz Josef Radermacher, ein Vordenker des Ansatzes, betont, dass ökosoziales Wirtschaften auch Innovationen fördern muss, um den Wohlstand zu erhalten.

Ein zentrales Problem ist die globale Dimension der ökosozialen Marktwirtschaft. Die Einpreisung von Umweltkosten wird oft umgangen, indem in Ländern mit niedrigen Umweltstandards produziert wird. Um eine echte ökosoziale Marktwirtschaft zu erreichen, sind globale Vereinbarungen und finanzielle Transfers von reichen zu armen Ländern notwendig. In Europa konzentrieren sich „grüne Projekte“ oft auf nationale Grenzen, was die globale Wirkung einschränkt. Radermacher kritisiert, dass reiche Länder sich auf ihre eigenen Probleme konzentrieren, während die ärmeren Länder mit existenziellen Herausforderungen kämpfen.

Er plädiert für einen globalen Ansatz zur Bewältigung der Klimakrise, der mehr Ressourcen und Innovationskraft in die Lösung dieser Probleme lenken würde. Derzeit fließen Umweltabgaben in Projekte, die vor allem den wohlhabenden Ländern zugutekommen. Radermacher warnt, dass dieser Fokus auf nationale Lösungen nicht ausreicht, um die globalen Herausforderungen zu bewältigen, und dass ein umfassenderer, kooperativer Ansatz notwendig ist, um die Klimakrise effektiv zu bekämpfen

Der gesamte Artikel befindet sich hinter einer Paywall.

Bildquelle: Dorothe (Pixabay)

Nachhaltigkeit durch Technologien

„Wie nachhaltig ist die Digitalisierung? Welchen Beitrag können moderne Technologien zum Umweltschutz leisten?“ Diese und weitere interessante Fragen, die im „IT-Business“ veröffentlicht wurden, beantwortet Prof. Dr. Dr. Dr. h.c. Radermacher im Rahmen des FIT-Kongresses 2021.

Im Fokus steht dabei die Kombination zwischen Technologien und Nachhaltigkeit. Digitalisierung habe laut Professor Radermacher bisher hauptsächlich zu negativen Effekten auf die Umwelt geführt, weil die Globalisierung durch sie befeuert wurde. Allerdings könnte sie auch helfen, die Menschen zu Nachhaltigkeit zu bewegen.

Technologien könnten vor allem zu einem klimaneutralen Energiesystem führen, das die Menschheit dringend braucht, um den Umwelt- und Klimaschutz mit Wohlstand zu verbinden, wie der Professor betont. Änderungen im Verhalten der Menschen kämen durch die Einführung neuer technischer Lösungen, würden diesen aber nicht voraus gehen.

Das vollständige Interview finden Sie hier.

Bildquelle: Tomasz Jagla (Pixabay)

Zeitfragen des Jahrhunderts

Wie bringt man eine weltweite Chance auf Gesundheit und die Abwesenheit von Armut und Hunger mit einem gesunden Planeten in Einklang? Um dafür eine gemeinsame Linie zu finden, haben sich 2015 alle UN-Mitgliedstaaten auf die Agenda 2030 mit 17 „Sustainable Development Goals“ (SDGs) geeinigt. Die Umsetzung dieser Ziele wird jede Woche in DIE ZEIT in der Rubrik „Zeitfragen des Jahrhunderts“ diskutiert.

In der zwölften Folge setzten sich Bundesentwicklungsminister Gerd Müller, Nina Ruge (Journalistin, Moderatorin und Botschafterin der Allianz für Entwicklung und Klima), Estelle Herlyn (wiss. Leiterin des Kompetenzzentrums für nachhaltige Entwicklung FOM Düsseldorf, leitende Wissenschaftlerin des FAWN) und Christian Schneider (Geschäftsführer von UNICEF Deutschland) mit dem SDG 13 „Maßnahmen zum Klimaschutz“ auseinander.

Kernpunkte sind das Thema Entwicklung, das laut Prof. Herlyn oft zu kurz kommt, und der Umwelt- und Klimaschutz. Diese beiden Themen sollten Hand in Hand gehen, was sie aktuell nicht tun würden, sondern von Zielkonflikten geprägt seien. Aber auch der Bevölkerungswachstum spiele eine wichtige Rolle, der nicht unterschätzt werden dürfe. „Klimaschutz ist die Überlebensfrage der Zukunft“, ist sich Dr. Gerd Müller sicher.

Sollten wir die Klimaziele nicht erreichen, wird das bis zu 500 Millionen Menschen in großem Maße treffen. Vor allem Kinder leiden besonders unter den Konsequenzen des Klimawandel, stellt Christian Schneider klar. Was heißt das für uns konkret? Laut den Experten und Expertinnen der Diskussionsrunde muss jeder bei sich selbst anfangen. Nina Ruge wirbt in diesem Kontext für die Mitgliedschaft in der Allianz für Entwicklung und Klima.

Das FAWn positioniert sich ganz klar hinter der Botschafterin Nina Ruge und der leitenden Wissenschaftlerin Prof. Herlyn. Am FAW/n untersuchen wir, wie es gelingen kann, dass Industrieländer gemeinsam mit Entwicklungs- und Schwellenländern auf den Klimakonferenzen an einem Strang in Richtung Klimaneutralität ziehen, was dabei die aussichtsreichsten und effizientesten Lösungen sind, und welche Rolle dem Privatsektor zufällt.

Die gesamte Diskussion sowie weitere Folgen zu anderen SDGs finden Sie hier.

Weitere Informationen zur Folge 12 der Zeitfragen des Jahrhunderts auf der Webseite von ZEIT ONLINE

Bildquelle: Phil Dera