Wissenschaft für den UN-Generalsekretär – das FAW/n zeigt Wege zu klimafreundlichem Stahl

New York/Ulm. Die Stahlindustrie erzeugt rund 10% der globalen Treibhausgas-Emissionen. Prof. F. J. Radermacher und Dr. T. Orthen vom FAW/n in Ulm beschreiben in einem neuen Papier für den UN-Generalsekretär António Guterres welche Ansätze es gibt, um die Stahlindustrie klimafreundlich zu machen. Großes Potenzial existiert in China und Indien, weil Zweidrittel der Anlagen weltweit ohnehin bis 2030 mit neuen Investitionen saniert werden müssen. Das Papier ist mit Kollegen des „Council of Engineers for the Energy Transition“ (CEET) erschienen. Radermacher und Orthen sind seit Beginn als einzige deutsche Vertreter in die Arbeit des Councils eingebunden. CEET ist ein unabhängiges globales Beratungsgremium für das Büro des UN-Generalsekretärs in Sachen weltweite Energiewende.

Kurz vor der Sommerpause hat der „Council of Engineers for the Energy Transition“ (CEET) ein Policy-Brief zur klimafreundlichen Umgestaltung der Stahlbranche veröffentlicht. Unter dem Titel “Global Strategies for Low-Carbon Iron and Steel Production“ geben Prof. Dr. Dr. Dr. h.c. Franz Josef Radermacher (FAW/n Ulm), Dr. Tobias Orthen (FAW/n Ulm) und Naveen Ahlawat (Jindal Steel) einen Überblick über die technologischen Ansätze, die am meisten Erfolg versprechen, die Treibhausgas-Emissionen zu senken, aber auch, wo strategisch angesetzt werden sollten, um möglichst effizient vorzugehen. Vorab sei gesagt, dass der Ansatz, die Stahlindustrie allein mithilfe von grünem Wasserstoff umzubauen, nicht realistisch ist. Dieser ist nicht ökonomisch sinnvoll und nicht praktikabel unter den aktuellen globalen Bedingungen – auch weil etwa die Hälfte aller Stahlwerke in China betrieben werden. 

Das komplette Papier (auf Englisch) kann auf dem Netzwerk „Lösungen für eine nachhaltige Entwicklung“ der Vereinten Nationen, kurz SDSN oder UNSDSN heruntergeladen werden.

Die wichtigsten Kernbotschaften sind:

  • Stahl und CO₂-Emissionen
    Die Stahlproduktion ist stark von fossilen Brennstoffen abhängig, weshalb eine Dekarbonisierung mehr erfordert als den Einsatz erneuerbarer Energien. Niedrig-CO₂-Technologien (Low-Carbon Technologies) sind entlang der gesamten Wertschöpfungskette notwendig, da Stahl derzeit rund 8 % der weltweiten Treibhausgasemissionen verursacht. Dies ist insbesondere eine Herausforderung für die Gestaltung der Energiewende und das Wirtschaftswachstum in Entwicklungs- und Schwellenländern.
  • Bestehende Technologien und Strategien
    Wichtige Hebel sind der Ersatz von Kohle durch Erdgas mit CCUS, Biomasse mit CCUS sowie der Einsatz von Wasserstoff zur Direktreduktion von Stahl. Effizienzsteigerungen, höhere Recyclingquoten, der Einsatz moderner Steuerungssysteme und die Nutzung von Abwärme können große Fortschritte bringen. Zudem ist eine effizientere Rohstoffnutzung durch bessere Aufbereitung und Transportmethoden entscheidend.
  • Modernisierungspotenzial und Investitionszyklen
    Bis 2030 müssen die meisten Stahlwerke im Rahmen ihrer üblichen Investitionszyklen modernisiert werden – eine entscheidende Chance für den Einsatz CO₂-armer Technologien. Koordinierte internationale Maßnahmen könnten so bis 2060 etwa 30 Milliarden Tonnen CO₂-Emissionen aus der Stahlproduktion vermeiden. Internationale Kooperation ist ein Schlüssel für Erfolg.
  • Fokus auf China und Indien
    China und Indien sind entscheidend für die Dekarbonisierung, da China der größte Stahlproduzent ist und Indien seine Kapazitäten bis 2050 verdreifachen dürfte. China könnte durch den Einsatz von Hochöfen mit Elektrolichtbogenöfen (EAF) eine Vorreiterrolle übernehmen. Viele kleinere Betriebe in beiden Ländern dürften aber Investitionshürden für neue Technologien haben. Unterschiedliche Ausgangspunkte, z. B. zwischen Industrie- und Schwellenländern, erfordern maßgeschneiderte Ansätze; etwa den Umstieg älterer japanischer Anlagen auf Schrott-basierte EAFs.
  • Gibt es eine Allzwecklösung?
    Weder Wasserstoff noch CO₂-Abscheidung allein können die Stahlindustrie vollständig dekarbonisieren. Wasserstoff könnte Emissionen pro Tonne um bis zu 90 % senken, doch beide Technologien erfordern hohe Investitionen in eine entsprechende Infrastruktur. Entscheidend ist daher, was genau unter „Niedrig-CO₂-Stahl“ verstanden und gehandelt wird, damit alle kosteneffizienten Emissionsminderungen zum Zuge kommen, statt auf eine einzige Technologie zu setzen.